Verliert das Reisen seine Faszination? Fast zwei Drittel planen, nicht mehr jedes Jahr in den Urlaub zu fahren

Zukunftserwartungen - Ausg. 07

16. August 2021

Das derzeitige Nachholbedürfnis nach Sommer, Sonne, Strand und Meer ist groß. Trotz eingeschränkter Möglichkeiten (z.B. keine Einreise in die USA), Reisewarnungen (von Südafrika über die Südseeinseln bis hin zu Südfrankreich), Waldbränden (u.a. in Griechenland, Italien und der Türkei) und einer allgemeinen Unsicherheit will dieses Jahr die Mehrheit der Bundesbürger ihre Koffer packen und verreisen. Doch wird es auch nach Ende der Corona-Pandemie noch so sein – oder zeichnet sich ein grundlegender Einstellungswandel ab?

Fakt ist: Fast zwei Drittel der Bundesbürger planen, in Zukunft nicht mehr jedes Jahr zu verreisen, sondern den Urlaub auch mal daheim zu verbringen. Vor dreißig Jahren waren es nur halb so viele, die ihre Ferien zu Hause verbringen wollten.

Innerhalb der Bevölkerung sind es vor allem Singles, Familien und ältere Bundesbürger, die nicht mehr jedes Jahr unterwegs sein möchten. Dagegen bleibt für die Mehrheit der 18- bis 24-Jährigen Reisen das Statussymbol. Sie wollen die Welt und neue Menschen kennenlernen, viel erleben und von ihren Reisen berichten.

Gründe für die zunehmende Zurückhaltung beim Verreisen

  • Zunehmende „Flugscham“: Gerade bei Kurzstreckenflügen steigt der Rechtfertigungsdruck. Statt Anerkennung und Bewunderung für einen Wochenendtrip nach London, Rom oder Paris wird zunehmend mit Unverständnis und Kopfschütteln reagiert.
  • Overtourism: Die alte Gleichung, „wo viel los ist, erlebt man auch viel“, kehrt sich ins Gegenteil um. Viele Bürger meiden die touristischen Hotspots und wenden sich vom Massentourismus ab.
  • Aufwertung der eigenen Stadt: Die Tourismuswirtschaft war und ist der Treiber für die Attraktivität zahlreicher Destinationen. Von Kultur- über Event- bis hin zu Gastronomie- und Freizeitangeboten – vieles wird nicht nur von Touristen genutzt, sondern immer öfter auch von den jeweiligen Einwohnern.
  • Kosten und Konkurrenz nehmen zu: Die durchschnittlichen Ausgaben für den Sommerurlaub liegen bei rund 1.000 EUR pro Person. Dieses kann und will sich nicht jeder leisten. Zudem stehen die Ausgaben für den Urlaub in direkter Konkurrenz mit anderen Freizeit- und Alltagsangeboten, z.B. dem Freizeitparkbesuch, dem neusten Smartphone oder der aktuellen Winterkollektion.
  • Zunehmende Unsicherheit: Sicherheit ist die Grundvoraussetzung für eine Reise. Ob Naturkatastrophen, Terroranschläge oder aktuell die Pandemie – die Angst auf Reisen hat in den letzten Jahren zugenommen.
  • Fast alles ist bekannt: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“ schrieb Matthias Claudius vor etwa 250 Jahren. Zwar trifft dies auch heute noch zu, jedoch haben Reiseerfahrung und Internetberichte die Welt kleiner werden lassen. Der einsame Strand, die urige Taverne oder der authentische Wochenmarkt sind seltener geworden, überfüllt oder schon massenhaft entdeckt.

Ausblick

Der Urlaub wird sich in Zukunft verändern – nicht nur wegen Corona. Bereits vor der Pandemie nahmen die Negativberichte zu, z.B. in den Bereichen der Nachhaltigkeit, der fehlenden Berücksichtigung von Anwohnerinteressen, einer abnehmenden Serviceorientierung, Staatsrettung oder zu wenig Transparenz.

Auch haben sich die Ansprüche, Bedürfnisse und Verhaltensweisen vieler Reisender verändert. Statt standardisierter und austauschbarer Angebote werden zunehmend wieder mehr Authentizität und Ursprünglichkeit gesucht. Die Tourismusbranche muss sich nicht neu erfinden, jedoch weiterentwickeln und Innovationen nicht nur in den digitalen Bereichen vorantreiben.

Letztendlich geht es um das gute Urlaubsgefühl: Der Gast möchte den Alltag hinter sich lassen und temporär in eine heile Welt entfliehen.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
kontakt@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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